Industriearchäologie

Wir haben zahlreiche historische Pläne und Karten zur Anlage zusammen getragen, Aussenansichten, Schnitte, Lagepläne. Was fehlt ist ein Grundriss der Kanalsysteme der Kläranlage. Und die Kläranlage hat ein Labyrinth von Kanälen, die unterirdisch verlaufen. Die eigentlichen Baupläne der Anlage sind bisher nicht gefunden worden, daher hat es uns immer schon gereizt, einen Blick in den verborgenen Untergrund der Anlage zu werfen. In der Klärhalle ist das nicht weiter schwierig, weil die Kanäle offen verlaufen. Aber von dort aus führen sie in „80er Jahre Betonrampen“, die damals die moderne Umnutzung der Kläranlage einläuteten. Es wurde Abwasser nicht mehr gereinigt, sondern mittels Schneckenpumpen angehoben, um es dann mit dem neuen Gefälle zur zweiten moderneren Krefelder Kläranlage am Elfrather See fließen zu lassen.

Genau diese Betonrampen verwehren aber auch den Blick in den weiter führenden Teil zum Auslauf der Kläranlage. Laut einigen Umbau-Plänen aus den „80ern“ sieht es so aus, dass das alte Kanalsystem, da ja nicht mehr benötigt, mit Beton verfüllt sei. Ist das wirklich so? Klopfproben ergeben erste Zweifel: Es klingt ziemlich hohl. Als nächstes besorgen wir eine Endoskop-Kamera und bohren an einigen Stellen in offen liegende Verfüllungen. Die Kamera hat eine eigene Lampe, aber wir finden in den Bohrungen nichts. Es ist schwarz, die Lampenleistung reicht nicht aus den Hohlraum zu beleuchten. Oha!

Als nächstes versuchen wir einen offenbar verfüllten ehemaligen Deckel am Ende der Anlage, im ehemaligen Hochwasserpumpwerk, an einem der Standorte der nicht mehr vorhandenen Pumpen zu öffnen. Hier sind im Boden einige neuere „Betondeckel“. Los geht es, der Schlaghammer wummert, es geht erstaunlicherweise ganz gut. Nach ca. 15cm zerbröselnder Betonverfüllung erscheint ein dunkler Schacht. Ganz unten am Grund steht Wasser. Eine Lampe erhellt danach einen mit gebrannten Tonziegeln perfekt gemauerten Kanal. Im Hintergrund ist ein „Tor“ zu sehen. Was wir bisher im Untergrund gefunden haben, gleichten wir mit den Standorten der Hochwasser Kreiselpumpen ab und können so nun annehmen, dass das „Tor“ einer der Schieber war, der das Pumpwerk vom normalen Ausfluss abschloss, im Plan die Schnittstelle zwischen grün: abfließendes gereinigtes Wasser und gelb, dem durch die Pumpen herauszudrückendem Abwasser bei Hochwasser des Rheins.

Grundriss und Weg des Abwassers in der Anlage
braun: Abwasser der Stadt, Reinigungsstufe Sandfang und Rechenanlage (grau), rot: Umgehung, grün gereinigtes Abwasser, gelb: gereinigtes und abgepumptes Abwasser

Nach einigen Überlegungen und Skizzen beschließen wir, einen ehemaligen Revisionsdeckel im „Flur“ der Anlage zu öffnen. Hier müßte ein Zustieg zum Auslaufkanal zu finden sein:

Von hier aus können wir uns ein erstes Bild mit hinabgelassenen Kameras machen. Der Abstieg den gut 4,5m unter uns liegenden Kanal ist ohne technische Vorkehrungen zu gefährlich, Schwefelwasserstoff könnte freigesetzt werden, ein geruchloses aber hochgiftiges Gas. So schicken wir lieber eine Kamera herunter:

Kamerabefahrung Kanäle Vimeo.

Das sieht sehr vielversprechend aus. Eine Vereinigung aus der Klärhalle kommend ist zu sehen, der lange, lange Auslasskanal taucht im Kameralicht auf.

Keine Verfüllung, die Kanäle sind offenbar erhalten und vielleicht in einem guten Zustand. Nun packen wir die Expeditionsausrüstungen und bereiten alles für den Abstieg in die Kanäle vor. Aber erst mal schnell „Osterferien“…